Fremde in der mittelalterlichen Stadt: Bauern, Händler, Reisende

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Anziehungspunkt Stadt – Macht sie wirklich frei?

Kein Ort zog im Mittelalter Fremde und Reisende, Menschen unterschiedlichen sozialen Standes und verschiedener Sprache, Religion und kultureller Prägung, so magisch an wie die Stadt. Sie verhieß ihnen Arbeit und Lebensunterhalt, Sicherheit und Schutz vor Krieg und Verfolgung sowie scheinbar ideale Bedingungen für ein neues Leben. Doch machte die „Stadtluft“ wirklich jeden so frei, wie allgemein angenommen wird?

Galt diese Freiheit auch für fremde Zuwanderer, die in der Stadt ein neues Leben suchten? Woher kamen diese Fremden, und wer galt im Mittelalter überhaupt als Fremder? Diese Fragen klärte Dr. Hubertus Seibert, Mittelalterhistoriker aus München und 2. Vorsitzender des Lahnsteiner Altertumsvereins 1880 e.V. in seinem Vortrag.

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Zuwanderung sicherte Zukunft

Die kontinuierlich steigende Zuwanderung von Menschen war für die mittelalterliche Stadt von existenzieller Bedeutung. Sie sicherte ihren Fortbestand, garantierte das Wachstum von Bevölkerung und Wirtschaft und trug zu baulichen Erweiterungen wie kultureller Vielfalt bei.

Doch unterschied die städtische Obrigkeit strikt zwischen drei Gruppen von Fremden, wie Seibert verdeutlichte: als Arbeitskräfte Unverzichtbare wie die Bauern, willkommene und berufsmäßige Fremde wie die Kaufleute und nicht geduldete bzw. verfolgte Fremde wie Fahrende und Bettler.

Bauern flohen aus oft bedrückenden sozialen und ökonomischen Verhältnissen in nahegelegene Städte. Sie erlangten dort zwar erträglichere Lebens- und Arbeitsmöglichkeiten, aber meist nicht die erhoffte persönliche Freiheit. Die Fernkaufleute waren wegen ihrer mitgeführten Waren willkommen und genossen als berufsmäßige Fremde zahlreiche Vorrechte.

Es gab auch unerwünschte Fremde

Doch grenzte die städtische Obrigkeit den Handlungsspielraum der fremden Kaufleute mit Rücksicht auf die eigenen Händler immer wieder deutlich ein. Ortsfremde Bettler und nicht-sesshafte Roma zählten die mittelalterlichen Städte zu jenen Fremden, die sie ausgrenzten und nicht willkommen hießen. Während die Städte das Auftreten ortsfremder Bettler als Störung der städtischen Ordnung werteten, dienten ihnen auffällige Unterschiede in Aussehen, Kleidung und Lebensweise der Roma als Begründung, um sie als unerwünschte Fremde zu stigmatisieren und zu verfolgen.

Wer Fremder war und blieb, machte die Stadt von dessen wirtschaftlichen Nutzen abhängig. Wer diesem Anspruch nicht genügte, für den ging die Migration – die Wanderung auf der Suche nach Sicherheit, Freiheit und Wohlstand weiter.

Im Anschluss an den Vortrag kam es noch zu einer regen Diskussion über das mittelalterliche Leben in den Städten.

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