Auf den Spuren der Mainzer Republik gewandelt
Hierin tagten die im März 1793 gewählten Abgeordneten der Mainzer Republik
Dr. Martin Bredenbeck berichtete über Architektur und Städtebau in Lahnstein. Dies war bereits die vierte Veranstaltung der Vortragsreihe des Altertumsvereins in Kooperation mit der Stadtverwaltung Lahnstein anlässlich des 700. Jahrestags der Stadterhebung Lahnsteins
Stadtbilder sind Geschichtszeugnisse, an denen sich jede Epoche ablesen lässt. So könnte man den Inhalt des hochinteressanten Vortrags „Architektur und Städtebau in Lahnstein vom 19. bis 21. Jahrhundert“ mit wenigen Worten charakterisieren. Tatsächlich war dieser überaus sachkundig dargebotene Vortrag – Dr. Martin Bredenbeck ist Kunst- und Architekturhistoriker, Vorstand im Dt. Verband für Kunstgeschichte und im Architektur Forum Rheinland – aber viel mehr. Es ging um die Entwicklung von Architektur und Städtebau, dessen Leitbilder und Möglichkeiten sowie den ständigen Wandel jeder Stadt.
Im 19. Jahrhundert war noch der „Blick zurück als Halt in rasanten Zeiten“ angesagt. Rasant waren die Zeiten v.a. wegen der politischen Umbrüche und der vielen technischen Neuerungen – Industrialisierung und Eisenbahn sind zwei Beispiele. Zugleich wurde in der Geisteshaltung der Romantik die Landschaft zum Projektionsraum von Gefühlen umgedeutet, wie die stark landschaftsprägenden Wiederaufbauten von Lahneck und Stolzenfels anschaulich zeigen. Auch der öffentliche Raum wurde durch Landschaftsgärten und Parkanlagen (erste Rheinanlage in Oberlahnstein) zu einem Idealbild geformt. Da viele der Konzepte, wie z.B. der Verkehrs- oder Grünanlagen, oft in schnellem Wandel sind, bleiben meist nur noch die baulichen Zeugnisse. Mittels dieser erläuterte Dr. Bredenbeck den im Vergleich zu älteren Bauepochen atemberaubend schnellen Wandel des architektonischen Geschmacks und oft auch des technisch Machbaren.
Die Architektur orientierte sich an der Vergangenheit und stellte damit eine Form von Kontinuität her. Dieses Phänomen wird heute als Historismus bezeichnet. Er begann im frühen 19. Jahrhundert mit dem Klassizismus und der Neugotik, die beispielsweise durch den Weiterbau des Kölner Doms zu einem echten Megatrend wurde. Der ging so weit, dass die eigentlich aus Frankreich stammende Gotik bald als deutscher Baustil instrumentalisiert wurde. Die Architektur des Historismus, die in Deutschland stark von der Gründerzeit geprägt ist, ist wegen des gewonnenen Kriegs 1870/71 und der besonders durch den Siegeszug der Industrialisierung und der Eisenbahn, rasanten wirtschaftlichen Entwicklung, ungewöhnlich reich. Ihre Stilistik unterlag einem Wandel, der aber heute weit weniger auffällig ist. Grob erklärt wurden die historischen Stile Stück für Stück wieder aufgenommen und für die neuen Bauten und neuen Bauaufgaben angewendet. So entstanden bald entstanden auch Bauten der Neuromanik, der Neurenaissance und des Neubarock; viele Mischstile lassen sich ebenfalls beobachten.
In Oberlahnstein ist das Gebäude der alten Volksschule, Hochstraße/Ecke Schulstraße, von 1830 ein bedeutendes Beispiel für den frühen Klassizismus. Späte interessante Beispiele des Historismus sind z.B. die Industriebauten Didiervilla („Maximilians Brauwiesen“), die wie ein Schlösschen wirkt, und die Löhnberger Mühle, beide ab 1890 gebaut (die Mühle an der Rheinfront in der Schinkel-Tradition der Backsteinbauten im frühen 19. Jahrhundert), sowie das 1888 eingeweihte Neue Rathaus Kirchstraße, als eine Art „Palast der Neurenaissance“.
Städtebaulich typisch für die aus den historischen Zentren expandierenden Siedlungen ist die geradlinige Verlängerung der bestehenden Straßenachsen, wie z. B. Frühmesser-, Burg-, Schulstraße, aber auch Westallee und Adolfstraße, so dass sich ein Raster ergab. Die Erweiterung Wiesbadens wurde von Christian Zais (ab 1838) geometrisch geplant. Vermutlich war dies auch Vorbild für die erste große Erweiterung Oberlahnsteins zwischen Altstadt und Berg.
Die Stil-Entwicklung führte um 1900 zu verschiedenen Reformversuchen, darunter dem Jugendstil. Im Koblenzer Markenbildchenweg kann man heute einen Gang durch fast die gesamte Architekturgeschichte von der Antike – Romanik – Gotik – Neuromanik – Rokoko – Klassizismus bis zum Jugendstil machen. Auch in Lahnstein, in der Westallee, ist das Ende des Historismus eindrucksvoll erkennbar. Unmittelbar rechts neben einem von Zierrat geradezu überfüllten Wohnhaus von 1897 wurde vermutlich nur rund zehn Jahre später eines errichtet, bei dem der Zierrat schon sehr deutlich reduziert ist und nur noch aus Putzflächen besteht. Es versinnbildlicht den Beginn des 20. Jahrhunderts – man kann diese Zeit als „ornamentarmen Historismus“ bezeichnen.
In den 1910er und 1920er Jahren gab es interessante Ansätze für dekoratives Bauen mit Backstein, bekannt geworden als „Backsteinexpressionismus“. Auch das damals so genannte „Neue Bauen“, heute oft als „Bauhaus“ zusammengefasst, war in den 1920er Jahren experimentierfreudig, mit neuen Formen, Geradlinigkeit und weitestgehender Reduktion aller Ornamente. Beide Entwicklungen haben auch in Lahnstein ihre Spuren hinterlassen. Der „Chinesentempel“ am Ende der Adolfstraße ist ein architektonisches Glanzstück, ebenso das unter dem Einfluss des Bauhauses stehende Gebäude am Beginn der Braubacher Straße, welches schon damals den Spitznamen „die Zigakist (Zigarrenkiste)“ erhielt. Beide Bauten wurden von der Eisenbahn als Dienstwohnungen errichtet.
Die Reduzierung der Schmuckformen setzte sich auch während des Dritten Reichs fort. Eine reine „Naziarchitektur“ ist somit zumindest im Wohnhausbau kaum erkennbar, zumal die Vielzahl der größenwahnsinnigen öffentlichen Projekte durch den Kriegsbeginn vereitelt wurden. In Lahnstein findet sich aus jener Zeit nur noch das damalige NSDAP-Parteigebäude in der Frühmesserstraße. Dabei handelt es sich lediglich um ein überputztes Gründerzeitgebäude, welches eigentlich 1870 als Kloster errichtet, aber schon 1877 als Mädchenschule und 1893 als Krankenhaus genutzt worden war.
Nach Kriegsende setzte vielerorts ein extremer Wandel des grundlegenden Stadtgefüges ein. Längst nicht nur durch Bomben zerstörte Innenstädte wurden von völlig neuen Strukturen, die sehr oft dem Autoverkehr geschuldet waren, neu geprägt. Auch wenig und kaum beschädigte Städte planten oft solche Erneuerungen, um die Zeit nach dem Krieg und dem NS auch baulich zu zeigen. Dr. Bredenbeck bezeichnete diese Zeit der städtebaulichen und architektonischen Veränderungen als „Glücksversprechen der Moderne von Frieden, Wohlstand und guten Lebensbedingungen für alle“. Es wurden nun massiv städtebauliche Missstände angegangen und weite Bereiche großangelegt neugestaltet. An großen mehrspurigen Straßen entstanden teils riesige Gebäude, sei es zum Einkaufen, Verwalten oder Wohnen. In Lahnstein geschah diese Entwicklung wegen der zu geringen wirtschaftlichen Bedeutung kaum, aber man erinnere sich an die groß angelegte Verkehrsführung in der Bahnhofstraße, die inzwischen schon wieder verändert wurde. Aber in Koblenz wurden z. B. neue vierspurige Straßen gebaut, der Saarkreisel als eine Art Symbol des Autoverkehrs angelegt und moderne Wohngebiete in die ehemals kleinteilige Altstadt eingefügt.
Die Entwicklung der Nachkriegsarchitektur ist in Lahnstein wie folgt abzulesen: 1950er Jahre St.-Martin-Siedlung, Steinkauterweg, das alte Volksbankgebäude am Turmplatz (heute Caritas). Als frühes Beispiel für Glasfassaden ist das Lahnsteiner Kino (Turmtheater) exemplarisch, ein Bau von großer Eleganz.
Aus den 1950er Jahren gibt es auch noch viele interessante Wohnhäuser und Ladengestaltungen, z.B. mit großen Schaufenstern und phantasievollen Türdrückern.
Für die 1960er Jahre sind der Bahnhof Niederlahnstein und die Siedlung Hohenrhein zu nennen.
Die 1970er Jahre sind oft ein noch größerer Bruch mit älteren traditionellen Formen gewesen. Die Planungseuphorie lautete „höher, schneller, weiter“. Um dies verwirklichen zu können, brach ein regelrechter „Abrisswahn“ aus, da damals unter einer „Altstadtsanierung“ stets der vorherige Flächenabriss verstanden wurde. Auch für die Altstadt von Oberlahnstein gab es diese Pläne. Im Stadtarchiv befindet sich ein etwa drei Meter langes Modell der geplanten Neubebauung. Einfach gesagt: Außer der Kirche und dem Alten Rathaus sollte fast alles fallen. Ausgeführt wurde dies zum Glück nur im Blankenberg, was sich aber glücklicherweise durch den Widerstand der Bevölkerung so zäh gestaltete, dass beim schließlich durchgeführten Wiederaufbau schon ein neuer Wind blies. Ein Beispiel für eine nach damaligen Idealen durchgeführte Altstadtsanierung ist Bad Godesberg, wo aus heutiger Sicht eindeutig zu viel abgerissen wurde.
Wichtig ist zu erwähnen, dass die 1960er und 1970er auch sehr gute Architektur hervorgebracht haben. Durch den Siegeszug des Stahlbetons und die Akzeptanz von sichtbaren Betonstrukturen bei gleichzeitiger Zuwendung zum Flachdach entstanden hochinteressante Bauten, wie im sozialen Bereich zum Beispiel das Hallenbad und das katholische Pfarrzentrum St. Martin. Ein Beispiel für Wohnungsbau findet sich in der Gutenbergstraße, der allerdings in der Nachbarschaft älterer Bauten eher fremd und aufdringlich wirkt. Das besserte sich, als man begann, den Beton durch Reliefs und feinere Oberflächenstrukturen zu veredeln, wie bei den beiden Lahnsteiner Gymnasien.
Ein besonders gelungenes Beispiel auch für die Verschmelzung mit älterem ist die Stadthalle (1973), bei der die Stadtmauer im wahrsten Sinne des Wortes die Verbindung herstellt (Kunst am Bau, Staatspreis 1975). Auch wenn sie in der immer noch kleinteiligen Altstadt relativ wuchtig ist, fällt ihre Qualität deutlich ins Auge – als Gesamtwerk künstlerisch gestaltet. Die Erweiterung der Berufsbildenden Schule oder der damals erneuerte Bahnhof Oberlahnstein haben dieses Niveau nicht, wobei der Bahnhof auch noch sehr schlecht gepflegt und stark verbaut ist.
In den 1980ern begann mit der „Entdeckung der Ökologie“ eine Rückbesinnung, die auch die Reparatur von Stadtbildern durch „angepasstes Bauen“ zuließ. Man vergleiche zwei Beispiele dieses Stimmungswandels: Optik Roth, die Schaufenster mit runden Ecken (wie auch bei der Stadthalle), die wie Fenster eines Eisenbahnwaggons wirken, und Optik Kreuer mit traditionellen Strukturen und Giebeln (Kölner Architekt).
Auch der Wohnpark Südallee, Ecke Lindenweg, mit seinem Ecktürmchen ist ein gelungenes Beispiel der Anpassung an die Umgebung. Ein Wohnhaus wie ein Stadtturm, „dessen Architektur möchte Geschichten erzählen“.
Als architektonisch gelungenes Beispiel führte Dr. Bredenbeck den Jupp-Bodenstein-Platz mit den Gebäuden im Blankenberg, dem Fastnachtsbrunnen und besonders den stählernen Gestaltungen auf, die ihn an den Barockgarten von Schwetzingen erinnerten.
Heute im 21. Jahrhundert entstehen anstelle „Centern“ (1990er Jahre) oder „Passagen“ (2000er Jahre) „Quartiere“, wie zum Beispiel das Rheinquartier, das sogar innerlich in weitere sehr kleinteilige Quartiere wie das Corbusier-Quartier, welches einer Art Bauhausstil darstellt, aufgeteilt ist. Dr. Bredenbeck vertrat die Meinung, dass dadurch insgesamt zu viel Mix auf engem Raum entsteht, und, dass man Neubauquartiere besser steuern sollte. Außerdem setzte er sich dafür ein, dass man mehr Anreize für Altbauten schaffen solle, damit nicht alles abgerissen wird. Zum Abschluss gab Dr. Bredenbeck für Lahnstein den Tipp, dass es wichtig wäre, das Stadtbild mit einer Gestaltungssatzung aufzuwerten, denn die „Stadt darf im Innern nicht ausbluten“.
Hierin tagten die im März 1793 gewählten Abgeordneten der Mainzer Republik
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